Historischer Hintergrund zum Zweiten Weltkrieg

[1]

William Joyce, 1906–1946

4,404 words

Übersetzt von Deep Roots

English original here [2]

Anmerkung des Herausgebers [d. h. Greg Johnson]:

Das Folgende ist das erste Kapitel „Historical Background“ von William Joyces Twilight Over England. Joyce wurde in New York City geboren. Dann ging er nach Irland und England, wo er ein Mitglied von Sir Oswald Mosleys British Union of Fascists wurde. (Sein Gesicht wurde in einer Straßenschlacht mit jüdischen Schlägern schrecklich vernarbt.)

Kurz bevor Britannien den Zweiten Weltkrieg anfing, flohen Joyce und seine Frau nach Deutschland, wo er 1940 eingebürgert wurde. In seinen Schriften und populären englischsprachigen Radiosendungen unter dem Namen Lord Haw Haw strebte Joyce danach, Deutschlands Sicht auf den Krieg und die Gefahren zu erläutern, denen die europäische Zivilisation sich gegenübersah.

Nach dem Krieg exekutierten die Briten William Joyce wegen seiner Ansichten und klagten ihn des Verrats an, obwohl sie dazu keine Rechtshoheit hatten, denn Joyce war nie ein britischer Staatsbürger gewesen. Kurz, William Joyce starb, damit Sie diese Worte lesen können.

*  *  *

WIEVIEL man aus der Geschichte lernen kann, ist lange eine Sache der Spekulation gewesen.

Viel hängt von der Fähigkeit des Schülers ab. Es gibt wahrscheinlich keinen Zweig des Lernens, außer der Ökonomie, in dem Vermutungen eine so große Rolle spielen. Fast jede Anzahl von Fakten kann in parteiischer Weise ausgewählt werden, um jede Theorie zu beweisen, wie absurd sie auch sei. In diesem Kapitel wird kein Versuch einer philosophischen Verallgemeinerung gemacht werden. Unsere einzige Absicht ist es zu zeigen, wie Englands historische Entwicklung zu dem schicksalhaften und fatalen Schritt beitrug, den seine Regierung am 3. September 1939 unternahm [Britanniens Kriegserklärung gegen Deutschland].

Es liegt eine gewisse dramatische Ironie in Mr. Chamberlains Wahl des Datums. Denn der 3. September war das Datum von Oliver Cromwells Geburt und auch seines Todes. Und wieviel das England von heute Cromwell verdankt, wird von sehr wenigen gewürdigt. Diese grobe, harte, hässliche, selbstgerechte Gestalt hat immer noch ihre Bewunderer. Selbst so scharfsinnige und grundehrliche Gelehrte wie Thomas Carlyle haben ihm Anerkennung gezollt. Und die meisten der englischen Liberalen, die vor Diktatur zurückscheuen, haben am Schrein dieses militärischen Autokraten gehuldigt, weil er der erste Engländer war, der eine völlige metaphysische Einheit zwischen Bibel, Geld und Schwert erlangte. Der Leser darf nicht denken, daß wir die Tugenden von Charles I. zu debattieren beabsichtigen, des guten Vaters und treuen Ehemannes. Im Gegenteil, wenn dieser auf nüchterne Weise fromme Mensch es verstanden hätte, sein Wort zu halten, wenn er sich nicht als den Botschafter des Allmächtigen in England betrachtet hätte, wäre es gut möglich gewesen, daß der Name Oliver Cromwells in die Mittelmäßigkeit gehüllt geblieben wäre, aus der er hervorging. Das Schicksal wollte es anders.

Im Jahr 1642 brach der Englische Bürgerkrieg aus, der die gesamten Britischen Inseln in Hader verwickeln sollte. Auf der einen Seite repräsentierte Charles die unbeschränkte Monarchie, die Church of England und in einem geringen Maß ein feudales Gesellschaftskonzept; auf der anderen Seite stand eine in der Tat sehr seltsame Kombination. Es war im Wesentlichen eine Partei, die aus den Lagern der Kaufleute und der Puritaner zusammengeschweißt war, die bereits in den Tagen Königin Elizabeths Anzeichen von Aufsässigkeit gezeigt hatten.

Die Tudor-Despotie war 1485 begründet worden, weil der Handel ohne feste Regierung unmöglich gewesen wäre und auch weil das ganze Land den dauernden Zank unter den Überbleibseln der alten Aristokratie satt hatte.

Kaum hatte jedoch diese Autokratie, diese Diktatur, dem englischen Volk Wohlstand gebracht, als auch schon eine Bewegung damit begann, sich ihrer zu entledigen. Nichts auf der Welt konnte natürlicher sein, als daß die Kaufmannsprinzen, fett geworden an den Gewinnen aus der Neuen Welt, Einwände dagegen hatten, Steuern – und noch dazu hohe Steuern – an den Thron zu zahlen, der ihnen ihren Erfolg verschafft hatte. Daher entstand früh in de englischen Geschichte die unheilvolle Tendenz, Geld und Macht als synonym zu betrachten. Nun wurde diese neue Plutokratie enthusiastisch von den Puritanern unterstützt. Diese ernsten, wenn auch fanatischen Extremisten hatten unzweifelhafte Beschwerden. Es wurde ihnen sicherlich verboten, ihre Religion auszuüben. Sie wurden in vielen Fällen mit der Intoleranz dieser Zeit verfolgt, wie es auch die römischen Katholiken wurden. Diese Puritaner hatten jedoch allzu tief aus der jüdischen Philosophie getrunken. Sie waren nicht damit zufrieden, das Alte Testament zu lesen. Sie mußten sich mit den Gestalten darin identifizieren. Sie gaben sich Namen wie „Hew-Agag-In-Pieces-Before-The-Lord.“ Ben Johnson übertrieb kaum, als er seine Puritaner Tribulation Wholesome [„Gesunder Kummer“] und Zeal-in-theLand [„Eifer im Land“] nannte. Gewiß hatte sich der Materialismus der Juden, wie er im Alten Testament enthüllt wird, tief in ihre Seelen gefressen: denn bei all ihren Psalmen und all ihren Hymnen begannen sie bald, mit vollen Händen Geld zu scheffeln. Durch irgendeinen ziemlich obskuren Vorgang schlichen sie sich allmählich in die Kaufmannsschicht ein, vielleicht weil ihre Religion kein Laster außer der Liebe zum Geld erlaubte. Wenn ihr Eindringen in die Plutokratie auch nicht leicht zu erklären ist, so ist es nicht schwierig zu erklären, warum so viele Kaufleute Puritaner wurden. Der Grund war, daß es so viel würdiger klang, in Verteidigung der Religionsfreiheit gegen die Krone zu protestieren als in versuchter Steuervermeidung.

Somit führten viele wohlhabende Persönlichkeiten unter dem Vorwand des Kampfes für den reinen Protestantismus einen großen Kampf um politische Vorherrschaft.

Die Cavaliers hatten eine gewisse Ahnung von der Wahrheit: aber sie waren sehr weit davon entfernt, ihrem königlichen Anführer zu vertrauen. Das Schicksal von Strafford hatte gerade gezeigt, wieviel persönliche Loyalität von Charles zu erwarten war. Die Sache des Königs wurde von mindestens der halben Bevölkerung Englands unterstützt, aber es fehlte eine vertrauenswürdige Führung, und das Parlament hatte das Geld der City of London. Die Royalisten hatten nicht mehr, als sie auf ihren Ländereien aufbringen konnten. Es war wahrlich ein Krieg zwischen dem Mammon und den Legionen der Verlorenen. Der Mammon gewann. Cromwell ging aus der Revolution als Militärdiktator hervor. Er richtete nicht nur den König hin, sondern machte auch kurzen Prozeß mit den Schwätzern des Parlaments. War der Krieg zur Verteidigung der parlamentarischen Freiheit ausgefochten worden, so zögerte der Führer der Parlamentsstreitkräfte nicht, jedes Mitglied buchstäblich aus dem Parlament werfen zu lassen, das ihm widersprach. Eine Versammlung fanatischer Anhänger nach der anderen wurde von diesem bemerkenswerten Mann in einem erbärmlich unwirksamen Versuch aufgestellt zu beweisen, daß er an die Repräsentation des Volkes glaubte, aber seine wahren Absichten wurden nie enthüllt, bis er das gesamte Land unter die Verwaltung von zehn Generalmajoren stellte, deren Hauptanliegen war, die Menschen davon abzuhalten, zu Weihnachten Mince Pie [d. Ü.: süßes Weihnachtsgebäck] zu essen oder sich am Sonntag dem Spiel zu widmen.

Ein denkwürdiger eindeutiger Akt muß Oliver jedoch angerechnet werden. Er ließ die Juden wieder nach England, von wo sie viele Jahrhunderte zuvor von diesem überaus weisen Monarchen Edward I. verbannt worden waren. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß die jüdischen Geldverleiher der City of London dabei geholfen hatten, ihren Sieg über die Krone zu erringen; und es ist interessant festzuhalten, daß Amsterdam nach der Migration der jüdischen Oberschicht nach England seine Bedeutung als Finanzzentrum zu verlieren begann. Und innerhalb von 20 Jahren zog England dreimal gegen Holland in den Krieg. Dies sind Tatsachen, und es muß dem Leser überlassen bleiben, welche Schlußfolgerung er daraus zu ziehen beliebt. Holland war natürlich vom Auslandshandel abhängig und nicht von inneren Quellen des Wohlstands, und sein Niedergang als Geldmarkt ersten Ranges geht auf Oliver Cromwells Machtergreifung zurück. Das soll nicht heißen, daß diese jüdischen Hausierer des Wuchers Wohlstand nach England brachten, aber ihre Ankunft war das Signal für die Übernahme dieser Philosophie des Kommerzes, die in England bis zur Gegenwart überdauert hat. Die Finanzorganisation der City begann sich in gewissen Bahnen zu entwickeln, die 1694 zur Gründung der Bank of England als private Agentur zum Verleih von Geld an die Regierung führte.

Cromwell starb 1658. Er war in einzigartiger Weise daran gescheitert, irgendein konstruktives Regierungssystem zu schaffen. Er vermachte seine Macht seinem demütig unfähigen Sohn Richard, der den Rat der Armeeführer annahm und sich schnell ins Privatleben zurückzog.

Innerhalb eines Jahres befand England sich im Griff der Anarchie. Generäle marschierten und führten Gegenmärsche durch, es gab keine Sicherheit des Eigentums, und wiederum erhob sich das Jammern der Kaufleute: „Gebt uns eine Regierung, die Gesetz und Ordnung wiederherstellt und es uns ermöglicht, Geld zu verdienen.“ Tatsächlich begann genau die Klasse, sogar viele derselben Leute, die Waffen gegen ihren souveränen Lehnsherrn König Charles I. geführt hatten, Menschen, die die Monarchie zu etwas Bösem und einer Erfindung des Teufels erklärt hatten, nun nach einem neuen König zu schreien.

Tatsächlich kam dann auch ein König. Der liebenswürdige Charles Stuart, der am französischen Hof jedes Geheimnis des Abschwämmelns und der Trickserei gelernt hatte, akzeptierte mit Freuden den Thron, fest entschlossen, nie wieder zu seinen Reisen aufzubrechen. Dieser seltsame Charakter sicherte sich mit jener vollendeten Diplomatie, deren Meister er war, eine stärkere persönliche Position, als sie irgendein Monarch in England seit den Tudors innegehabt hatte; tatsächlich regierte er während der letzten vier Jahre seines Lebens ohne ein Parlament. Trotzdem war dem Prinzip der absoluten Monarchie ein tödlicher Schlag versetzt worden, und Charles’ Macht überlebte ihn nicht. Alles am Charakter seines Nachfolgers James II. war in bewundernswerter Weise dazu berechnet, sie zu zerstören.

In der Zwischenzeit hatte jedoch in der englischen Politik eine revolutionäre Veränderung stattgefunden.

Das Parteiensystem war entstanden. 1679 wurden die Worte „Whig“ und „Tory“ in jedem englischen Haushalt bekannt. Ein großer Kampf fand statt, und der Streitpunkt war, zumindest nominell, ob der katholische Duke of York auf dem Thron nachfolgen sollte. Die Tories, oder die Hofpartei, repräsentierten die Überreste der Cavaliers. Sie standen für die Monarchie, das göttliche Recht der Könige, die Church of England und in großem Ausmaß für die landwirtschaftlichen Interessen. Sie waren großteils entweder Aristokraten oder Männer, die an eine landbesitzende Aristokratie als Grundlage der gesellschaftlichen Organisation glaubten. Die Whigs unterstützten die Vorrangstellung des Parlaments, die Notwendigkeit des Protestantismus – je extremer, desto besser – und die Interessen des Finanzwesens in der City im Gegensatz zur Landwirtschaft. Sie waren die Nachfolger der Roundheads, aber sie hatten in ihre Reihen eine Anzahl von Leuten aufgenommen, die keine eindeutigen Überzeugungen hatten, sondern vom Verhalten und Charakter der Stuarts angewidert waren. Aus diesen unbestimmten Elementen entsprangen später Männer wie Chatham und Burke, denen keine unwürdigen Motive zu Recht zugeschrieben werden können. Auf der anderen Seite war der allgemeine Tenor der Politik der Whigs krasser Materialismus, genauso wie jener des Toryismus eine mystische Inkompetenz und eine rein negative Einstellung zum Fortschritt war, den die Dynamik der Zivilisation verlangte.

Somit war England jahrhundertelang dazu verurteilt, gespalten zu sein, wobei die finanziellen Nachfahren der Roundheads immer die heroischen, aber unpraktischen Nachfahren der Cavaliers ausnützten.

Es ist ein sehr großer Fehler zu glauben, daß die Konservative Partei von heute die alte Tory-Philosophie vertritt. Tatsache ist, daß das Whigtum nach 1745 alles schluckte, was vom echten Toryismus übrig war; und fürderhin gewöhnte sich das Volk von England daran – abgesehen von ein paar verlorenen Ausnahmen, die immer ein hoffnungslosen Rückzugsgefecht führten – unterschiedliche Formen von Whig-Politik zu genießen oder zu erleiden. Somit bekam der Materialismus des Finanzwesens England in die Finger. Es wäre mühsam, die zahlreichen Versuche aufzuzählen, die zu einer Wiederbelebung der Tory-Partei unternommen wurden. Einigen wir uns darauf, daß sie an dem Tag starb, als die öde Heide von Culloden mit den Leichen jener übersät war, die es für möglich gehalten hatten, die Stuart-Dynastie wiedereinzusetzen.

Währenddessen hatte die Verfassung Englands eine weitreichende Revolution durchgemacht. Als 1689 Wilhelm, von Gottes Gnaden Prinz von Oranien, in England landete und sein Schwiegervater sich feige zur Flucht wandte, wurde ein neuer Band der englischen Geschichte aufgeschlagen. Wilhelm war der Mann, den die Whigs brauchten, und viele der Tories akzeptierten ihn, weil alles besser war als James II. Wilhelm war eine heroische, wenn auch düstere Gestalt. Er, ein großer Kämpfer, hatte die Gewohnheit, Schlachten zu verlieren und Kriege zu gewinnen. Aber seine Interessen lagen weitab von England. Die einzige Aufgabe seines Lebens war es, Holland vor der sengenden Pracht von Le Roi Soleil [des Sonnenkönigs] zu retten. Nur um größere Ressourcen für seinen Kampf gegen die französischen Aggressoren zu erwerben, übernahm er die Verantwortung, so zu tun, als würde er England regieren. Und ein Mann, der zu regieren vorgeben würde, war genau das, was die City of London wollte. Die Fassade der alten Tradition mußte vor der schiefen Struktur der internationalen Finanz errichtet werden, die die Architekten des Wuchers für sich bauten. Bis zu seinem Todestag hatte Wilhelm niemals Einblick in die Realität der englischen Politik. Die Whigs, die ihn nach England gebracht hatten, behandelten ihn als eine Art geduldeten Gast, und er war unfähig, die unaufhörlichen Intrigen von John Churchill, besser bekannt als Duke of Marlborough, zu verstehen, einem von Winston Churchills präsentableren Vorfahren. In seiner Regierungszeit fanden zwei wichtige Entwicklungen statt. Erstens errang das Parlament, das aus den Überresten der alten Aristokratie und in viel größerer Zahl aus den Pionieren der neuen Plutokratie bestand, die Vorherrschaft. Es lag nichts Demokratisches in seiner Natur. Die große Mehrheit des Volkes hatte kein Stimmrecht, aber die Bühne war bereitet für den Endkampf zwischen Stadt und Land, Geld und landwirtschaftlicher Züchtung, Korruption und Autorität.

Das zweite bedeutende Ereignis in Wilhelms Regierungszeit war die Gründung der Bank of England. Diese Institution hatte die Funktion, die Regierung zu einem beträchtlichen Zinssatz mit Geld zu versorgen. Sie war darauf vorbereitet, von Generation zu Generation zu verleihen und entsprechend ihre Zinsen einzustreichen. Dieser kumulative Prozeß hat mathematisch erstaunliche Ergebnisse produziert: denn die Bank of England war der Hauptfaktor bei der Begründung der Staatsverschuldung. Im Jahr 1705 warf Dekan Swift entsetzt die Hände hoch und rief: „Was! Eine Staatsverschuldung von fünf Millionen Pfund. Die Hohen Verbündeten werden doch unser Ruin sein!“ Die Neigung des Dekans zu ordinärer Sprache hätte ihr volles Ausmaß erreicht, wenn er sich die Staatsverschuldung von Tausenden Millionen Pfund hätte vorstellen können, die England heute ins Gesicht starrt. Wenn man die Staatsmänner nur hätte dazu zwingen können, das Gesetz der Zinseszinsen zu studieren, hätte das Schicksal der gesamten menschlichen Rasse sehr anders sein können. Selbst ein Wissen über einfache Zinsen hätte in dieser Sache geholfen. Aber die Gentlemen des achtzehnten Jahrhunderts scheuten vor der Mathematik zurück, für die es keine Verwendung an den Kartentischen gab. Gewisse Personen, die keine Gentlemen waren, profitierten von ihrer Einfältigkeit. Natürlich wußte Robert Walpole, der Gründer der Kabinettsregierung und erste Premierminister von England, sehr wohl, was er tat. Sein Motto „Keine schlafenden Hunde wecken“ legt Zeugnis davon ab, daß er sich mit unmittelbareren Dingen beschäftigte und keinen Versuch machte, Gesetze für jene zu machen, die nach ihm kamen.

George I., Kurfürst von Hannover, König von England, sprach kein Englisch. Nachdem er versucht hatte, die Geschäfte mit seinen Ministern auf Latein zu führen, gab er verzweifelt auf und begnügte sich mit allem, was er an Annehmlichkeiten in einem Land finden konnte, in dem er sich nie zu Hause fühlte. Er schadete niemandem und diente dem Zweck der Tradition und der protestantischen Thronfolge.

Fürderhin war der König dazu bestimmt, eine Galionsfigur zu sein. Nun konnte er nichts falsch machen, weil er nichts tun konnte. George III. versuchte, der Autokrat der amerikanischen Kolonien zu werden. England verlor ganz Nordamerika außer Kanada, und danach verzichteten die Monarchen auf jegliches bedeutende Eignreifen in die Politik. Vielleicht sollten wir als Ausnahme die eigensinnige Opposition von George III. gegen Pitts Plan festhalten, den irischen Katholiken jene Religionsfreiheit zu geben, die, wenn sie rechtzeitig gewährt worden wäre, vielleicht den Lauf von Irlands Geschichte geändert hätte.

Mit dem Rückzug der Monarchie ins Reich des Obskuren, wo sie heute erbärmlich weilt, begann die Parteipolitik eine vorherrschende Rolle im englischen Leben zu spielen. Während die Whigs England fast das gesamte achtzehnte Jahrhundert hindurch regierten, mußten sie mit Opposition fertig werden, und diese Opposition beruhte oft auf Ambitionen statt auf Politik. Ich zweifle, ob irgend jemand wirklich sagen kann, was Bolingbroke wollte, aber er hasste bestimmt die Whigs. Lang nachdem die alten Tories begraben worden waren, entstand 1770 eine neue Tory-Partei unter Lord North, diesmal zur Unterstützung des Hauses Hannover. Sie erreichte nicht sehr viel, aber sie lieferte die Voraussetzung für Parteipolitik, nämlich daß es mehr als eine Partei geben sollte. Je mehr Parteien, desto mehr Chancen für Individuen. Die Politik wurde mit der Zeit als lukrativer Beruf betrachtet, dank des Systems der Patronage, durch die Gentlemen, die jemand Hochgestellten kannten, ein Kommando über ein Regiment in Westindien für Kollegen sichern konnten, für deren Ehefrauen sie bestimmte, wenn auch nicht ehrenwerte Pläne hatten.

Während sich das achtzehnte Jahrhundert allmählich abspielte, begannen sich zwei schwerwiegende Zustände zu entwickeln. Der erste war der Niedergang nicht nur der Aristokratie, sondern nach und nach aller Werte, die nicht mit Pfund, Shillings und Pence in Beziehung gebracht werden konnten.

Es ist seltsam, daß ein Jahrhundert, das hinsichtlich Dichtkunst, Konversation, Belletristik und jeder Form der Kultur so fruchtbar war, nur dazu dienen sollte, Vorbote des tristen, hartherzigen, materialistischen Industrialismus zu sein, der sich bereits ungeduldig vor der Küste zusammenbraute. Und doch ist es im langen Lauf der Geschichte immer so gewesen. Die brillante augusteische Periode der römischen Literatur, in der Männer von kreativem Intellekt Leistungshöhepunkte erreichten, die bis dahin in der Geschichte Westeuropas beispiellos waren, war nur der strahlende Nachmittag vor dem Zwielicht Konstantins und der völligen Dunkelheit der Jahrhunderte, die auf ihn folgten.

Die zweite unheilvolle Entwicklung war der Beginn jenes Niedergangs der Landwirtschaft, der nahezu zwei Jahrhunderte lang weitergehen und England in die Position bringen sollte, eine Nahrungsmittelblockade gegen Deutschland zu erklären, ohne irgendwelche eigenen Ressourcen zu haben.

Charles II. widmete zwischen seinen Runden der Geldeintreibung von Ludwig XIV. und der Ausschüttung seines unzweifelhaften Charmes an Damen, die nur allzu bereit waren, sich davon überwältigen zu lassen, ein gewisses Maß ernsthafter Aufmerksamkeit der Physik. Keiner aus seiner Entourage konnte herausfinden, warum. Genausowenig der Autor dieser Zeilen.

Trotzdem hatte der Schwung, den er dem Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften verschaffte, seine Resultate. Männer wie Newton begannen Gesetze der Wissenschaft zu formulieren, die das Antlitz der Erde verwandeln sollten. Die vollen Früchte der Renaissance waren nun reif für die Ernte, und das mechanische Zeitalter war für seinen Beginn bereit.

Traurigerweise begann jedoch das neue Interesse an Maschinen, der neue Wunsch, Waren mechanisch herzustellen, die allgemeine Anziehungskraft hin zu den Städten und weg vom Land, katastrophale Auswirkungen auf die Landwirtschaft zu haben. Niemand hat diesen Wandel eindringlicher ausgedrückt als Goldsmith in Deserted Village. Er schreibt:

Ill fares the land to hastening ills a prey,
Where wealth accumulates and men decay.
Princes and lords may flourish or may fade,
A breath can make them, as a breath has made:
But a bold peasantry, their country’s pride,
When once destroyed, can never be supplied.
A time there was, ere England’s griefs began,
When every rood of ground maintained its man;
For him light labor spread her wholesome store,
Just gave what life required, but gave no more,
His best companions, innocence and health,
And his best riches, ignorance of wealth.
But times are altered: trade’s unfeeling train
Usurp the land and dispossess the swain.

Vielleicht neigt Goldsmith ein wenig zur Überbetonung der Tugenden der Armut, aber er schrieb gefühlvoll über Tatsachen, die er kannte. Es wäre unmöglich, in einem kurzen Werk dieser Art all die Auswirkungen und Folgen der industriellen Revolution nachzuzeichnen, und in jedem Fall ist dies ein Thema, das im nächsten Kapitel einige Aufmerksamkeit erhalten wird. Als Nachschlagewerk kann ich nur G. M. Trevelyans kluge Abhandlung über die britische Geschichte im neunzehnten Jahrhundert empfehlen.

Dieses Werk, wenngleich parteiisch und von einem hoffnungslos liberalen Standpunkt aus geschrieben, liefert ein sehr faires Bild der gesellschaftlichen Veränderungen, auf die ich hinzuweisen versuche.

Kurz, die große Migration vom Land in die Städte begann. Das Zeitalter des mechanisierten Menschen rückte näher. Die neue Plutokratie und diejenigen unter den alten Whigs, die von Natur aus pervers waren, begannen ihre letzte und schreckliche Offensive gegen die alten Gentlemen vom Land. Sie war umso schrecklicher, weil die alten „Landfamilien“ nicht nur entwurzelt und ausgelöscht wurden. Sie wurden zahlreichen merkantilen Bluttransfusionen unterzogen, bis sie die letzte Erniedrigung durchmachen mußten, jüdische Schwiegersöhne zu akzeptieren, um den Boden zu retten, an den sie sich erbärmlich klammerten.

Dieses Kapitel befaßt sich nicht speziell mit der Ökonomie, und daher schieben wir unsere Betrachtung der Ergebnisse, die die industrielle Revolution für die Leben der gewöhnlichen Menschen in England brachte, für eine sehr kurze Zeit auf. Die politische Tatsache mit der größten Bedeutung ist, daß die beiden in einen Kampf auf Leben und Tod verstrickten Parteien gezwungen waren, neue Verbündete herbeizurufen. Das Parteiensystem war schnell zu dem schamlosen Feilschen um Wählerstimmen degeneriert, das in der einen oder anderen Form das unverzichtbare Chrakteristikum der Demokratie ist. Im späteren achtzehnten Jahrhundert wurden Wahlen vom Land mit großer Freude begrüßt. Denn sie bedeuteten die großzügige Verteilung von Bier, Speck und Geld durch die Kandidaten. Wahlwerber schrieben seelenruhig: „Für die Stimme von Mr. Ebenezer Smith £30, (dreißig Pfund).“ Die Wahlkreise wurden in höchst kunstvoller Weise so konstruiert, daß sie Kapitalinteressen volles Spiel ermöglichten.

Zur Zeit des Großen Reformgesetzes von 1832 bekannte ein Parlamentsmitglied, daß sein Bezirk ein unbewohntes Haus war, ein weiterer sagte, daß seiner ein alter Erdhügel war, und ein dritter erklärte lächelnd, daß seiner während der letzten zwanzig Jahre unter einem Teich gelegen habe. Gleichwohl war dieses System jenem vorzuziehen, das eingeführt werden sollte. Denn das Reformgesetz von 1832 war einzig und allein dazu bestimmt, den kleineren Kaufleuten das Wahlrecht zu geben, mit dem Resultat, daß die Verknüpfung von Politik und Geld näher rückte als je zuvor. Etwa 35 Jahre später beschloß der Jude Disraeli, die Handwerker, die bis dahin kein Stimmrecht hatten, mit hineinzunehmen, um ein Gegengewicht zu den kleinen Kaufleuten zu sein. Sein Lohn sollte es sein, von den Leuten aus dem Amt geworfen zu werden, denen er das Wahlrecht verschafft hatte. Selbst in jenen Tagen wurden die Juden von den arbeitenden Menschen Englands nicht gemocht.

Zusammengefaßt könnte man jedoch sagen, daß ab 1832 die gesamte Kunst der englischen Politik darin bestand, Kompromisse zu schließen, ohne jegliche Absicht, sie einzuhalten.

Und nach der Erteilung des Wahlrechts an die Arbeiterklasse gewann dieses böse Prinzip zusätzliche Kraft.

Die Liberale Partei, die aus dem Abschaum und dem Bodensatz all dessen gebildet wurde, was von den schlimmsten Elementen der Whig-Menagerie übrig blieb, posierte als Freund des Volkes; mit welcher Berechtigung, werden wir im nächsten Kapitel sehen. Etwas Neues, genannt die Konservative Partei, stieg im neunzehnten Jahrhundert auf und repräsentierte die erbärmlich schwache Anstrengung der Grundherren und der patriotischeren Menschen zu behaupten, daß der Staat keine geringeren Ansprüche hatte als jene des Individuums. Diese verlorene Schar von Idealisten wanderten durch die tristen Jahrzehnte des neunzehnten Jahrhunderts, bis Benjamin Disraeli sie fand und sie recht klug in die äußeren Höfe des Palastes der Hochfinanz führte. Dort wartete sie, bis sie zur Jahrhundertwende der abtrünnige Liberale Joe Chamberlain in Bausch und Bogen kaufte, mit Führern, Mitgliedern und Mitläufern. Von dieser Zeit an war die Konservative Partei nur ein respektableres, feinfühligeres, eigentlich netteres Medium für den Ausdruck des erwerbsorientierten Kommerzialismus. Daher konnte Mr. Churchill in den frühen Tagen seiner unter einem schlechten Stern stehenden Karriere seine erfahrenen Freunde mit reinem Gewissen fragen, ob er seine Dienste der Liberalen oder der Konservativen Partei schenken oder verkaufen sollte. Es zählte wenig, welche davon. Wenn jemand ein Methodist und Importeur war, würde er natürlich ein Liberaler sein. Wenn jemand ein Soldat war, und ein Mitglied der Church of England, wäre er wahrscheinlich ein Konservativer. Beide würden den Dividenden aus Auslandsinvestitionen ihren Respekt zollen, und beide würden wahrscheinlich beim Gedanken schaudern, dabei von einem in sich geschlossenen Empire aufgehalten zu werden. Insgesamt waren die Konservativen ein wenig sauberer, ein bißchen weniger habgierig, als die Liberalen. Aber sie existierten nur als eine Art Gegenpart zur Politik der Liberalen. Ob sie im Amt waren oder nicht, die armen Konservativen waren die ewige Opposition. Die rücksichtslosen Finanziers der City of London wollten es nicht so erscheinen lassen, als gäbe es nur eine Partei im Staat. Ihre Ziele und Aktivitäten mußten getarnt werden, aber am Ende gewannen die Konservativen solch eine Anhängerschaft im Volk, daß ihre Annexion notwendig wurde. Nachdem Joe Chamberlain sein Kunststück vollbracht hatte, verkümmerte die Liberale Partei und starb aus, bis ihre einzigen lebenden Vertreter ein paar alte Gentlemen waren, für die es keinen Platz im konservativen Gehege gab. Ihr Verschwinden wurde umso leichter gemacht, weil zur Jahrhundertwende eine neue und recht impertinente Partei namens Labour Party entstanden war. Diese Emporkömmlinge verlangten tatsächlich, daß die Arbeiter eine direkte Vertretung im Parlament haben sollten, statt durch ihre Arbeitgeber vertreten zu werden.

Niemand konnte sagen, was diese unvernünftigen Leute als nächstes verlangen würden, und daher konnte die Liberale Partei genausogut zum Tode verurteilt werden. Natürlich waren die Führer dieser neuen Bewegung großteils gewöhnliche Leute, und ein wenig Schmeichelei gemischt mit Bestechung in bestem Geschmack würde zweifellos viel bewirken. Aber sie verwendeten tatsächlich solch befremdliche Worte wie „Sozialismus“, sie sprachen von den Rechten des Proletariats, und manche verwendeten sogar den schrecklichen Begriff „Revolution“. Es würde eindeutig nicht angehen, zwei Parteien wie auch diese neue Bedrohung zu haben, und dementsprechend verfiel die Liberale Partei, obwohl sie noch einige Jahre fortbestand, und diejenigen, die früher auf der Suche nach einem Vermögen in sie eingetreten wären, schlossen sich statt dessen den elenden Sozialisten an. Nicht wenigen gelang es, ihre persönlichen Ambitionen zu verwirklichen.

Die wesentliche Tatsache ist jedoch, daß die Haupttechnik der britischen Politik von 1832 bis zum heutigen Tag ein Prinzip verkörpert hat: „Je mehr man den Menschen verspricht, desto mehr kann man erwarten, ihre Stimmen zu bekommen.“ Eine Prämie wurde darauf ausgesetzt, attraktive Versprechungen zu machen, und der geschickte Politiker war derjenige, der sie brechen und immer noch seinen Ruf der Ehrlichkeit behalten konnte. Vielleicht hat es nie solch einen Meister in dieser schändlichen Kunst gegeben wie Stanley Baldwin.

All die Zeit lebte die große Masse des Volkes in unnötiger Armut, und die strategische Hauptabsicht der herrschenden Klassen war es, sie in zufriedener Unterwerfung zu halten; die Konservativen, indem sie Opfer predigten, und die Liberalen zu ihrer Zeit, indem sie Trinkgelder statt Löhne verteilten. Als die Sozialisten ihren Auftritt hatten, war es von höchster Dringlichkeit, ihre Führer so schnell wie möglich in Ehrenmitglieder der herrschenden Klassen zu verwandeln; die Anwesenheit einer gewissen Zahl junger Männer „aus gutem Hause“ in ihren Reihen lieferte sowohl die Gelegenheit als auch die Illusion.

Mit diesem allgemeinen Hintergrund vor Augen können wir jetzt zu einer unmittelbareren Untersuchung des Wirtschaftssystems übergehen, das sich in England seit dem Beginn der industriellen Revolution allmählich entwickelt hatte. Wir können beginnen, die moderne Geschichte im Lichte der ferneren zu interpretieren. Wenn England in der Periode, die wir betrachtet haben, so viel verloren hat, so hatte es ein Imperium gewonnen. Aber wie es dieses zu nutzen gedachte, wird erst klar werden, wenn seine Wirtschaftsphilosophie untersucht worden ist.